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Teil 2: Die Unfähigkeit Aufgaben zu delegieren – Burnout!

Teil 2 des aktuellen Falls von Torsten Wulff – die Fortsetzung

Wie am Ende des Erstgesprächs verabredet, entwickelten wir in der folgenden Sitzung zunächst Strategien, die meinem Klienten Zuversicht für seine baldige Rückkehr in den Arbeitsprozess geben sollten. Diese Rückkehr war nötig, um für den eigentlichen, wichtigeren Teil des Beratungsprozesses einen „Real life“- Hintergrund zu haben. Im Gespräch hatte sich herauskristallisiert, dass Herr L. insbesondere unter dem Druck eines nahenden Fertigstellungstermins nicht mehr in der Lage war, seine Arbeit anderen zu überlassen.

Um dieser Dynamik bei der Durchführung und Beendigung des nächsten Projekts vorzubeugen, nutzten wir eine der Grundideen des im ersten Teil erwähnten Eisenhower-Prinzips – nämlich Aufgaben in selbst zu erledigende und delegierbare Aufgaben einzuordnen. Diese Maßnahme verschaffte Herrn L. so viel Zuversicht für das neue Projekt, dass er am Ende der Sitzung beschloss, gleich von Anfang an hauptverantwortlich dabei zu sein. Ich selbst sprach daraufhin mit seinem Arzt und konnte diesen überzeugen, Herrn L. probehalber wieder gesund zu schreiben. Herr L. hatte nun noch zwei Wochen Zeit, sich weiter zu erholen. Danach konnte er sich eine Woche lang von zu Hause aus auf das anstehende Projekt vorbereiten und herausfinden, ob die bei mir erarbeiteten Strategien zumindest für die Anfangsphase ausreichend Erleichterung schaffen, um sich dessen gesamte Durchführung vorstellen zu können.

In Vorbereitung auf unsere nächste Sitzung wollte ich von Herrn L. wissen, in welchem Teil seines Lebens das Helfen und der Wunsch, Aufgaben allein zu erledigen, besonders wichtig gewesen seien. Ich interessiere mich dafür, weil ich überzeugt bin, dass auch ein aus heutiger Sicht problematisches Verhalten in einen früheren Lebenskontext sinnvoll gepasst haben und damals sein Lebenssystem stabilisiert haben muss. Anders ist einerseits kaum zu erklären, dass sich Motivations- und Verhaltensmuster – wie im Fall von Herrn L. – so hartnäckig gegen widersprechende aktuelle Notwendigkeiten erhalten. Spontan fällt Herrn L. seine Lehrzeit ein, und wir beschließen, in einer weiteren Sitzung über diese Zeit zu sprechen. Weiterlesen

Die Unfähigkeit Aufgaben zu delegieren – Burnout!

Ein echter Fall aus der Beratungspraxis des Psychologen Torsten Wulff.

„Ich fühle mich gar nicht krank, nur unendlich erschöpft!“ Das sind die Worte von Herrn L. während eines kurzen Telefongesprächs, in dem er um eine Beratung bittet. „Ich muss meine Arbeit anders organisieren, sonst kann ich das nicht weiter machen.“ Die Verzweiflung des 47jährigen aus der Region Hamburg wird schnell deutlich. Er sei jetzt schon seit drei Wochen krankgeschrieben, erhole sich aber überhaupt nicht. Er schlafe viel, gehe regelmäßig (aber ohne Lust) zum Sport und fühle sich dennoch meistens abgespannt und interessenlos, fast lethargisch. Selbst nach langen Nächten mit bis zu zehn Stunden Schlaf sei er nach dem Frühstück schon wieder so müde, dass er am liebsten ins Bett zurückkehren möchte. Ich biete Herrn L. ein Erstgespräch in meiner Coaching- und Beratungspraxis in Hamburg an.

In diesem Gespräch erfahre ich, dass Herr L., nach einer handwerklichen Grundausbildung, nunmehr seit 20 Jahren bei einer großen Werft in Hamburg tätig ist. Während seiner Schilderungen entsteht in mir das Bild eines äußerst engagierten und erfindungsreichen Mannes, der sich immer weitergebildet und im Unternehmen schnell hochgearbeitet hat: über die Position als Leiter eines Montagetrupps, später den Wechsel in die Abteilung für Qualitätssicherung und Controlling bis zu einer leitenden Tätigkeit im Controlling mit Personalverantwortung für 15 Mitarbeiter.

Herr L. beteuert, sein Problem genau zu kennen: „Ich kann einfach nicht delegieren!“ Deutlich wird allerdings auch, dass diese „Unfähigkeit“ – wie so oft – einen durchaus positiven Effekt hatte: In all den Jahren habe Herr L. als hervorragende Kraft gegolten, in seiner Abteilung habe immer alles zum Besten gestanden. Und das, so sagt er, war immer so – auch schon in der Lehre und den ersten Jahren seiner handwerklichen Tätigkeit. Lieber habe er Überstunden gemacht als eine Arbeit mangelhaft erledigt zu wissen. Seinen damaligen Vorgesetzten sei er aber nicht nur dadurch aufgefallen. Als ungewöhnlich habe seine große Bereitschaft gegolten, Kollegen mit Rat und konkreter Hilfe zu unterstützen. „Ich fühle mich einfach gut, wenn ich helfen kann.“

Hier werde ich hellhörig. Hat Herr L. ein übermäßig großes Bedürfnis zu helfen, könnte hier ein Ansatz für eine nachhaltige Lösung seines Problems verborgen sein. Solche, langfristig wirksame, Lösungen begründen meinen Anspruch als Coach. Es wäre dann nicht damit getan, Herrn L. ein paar Strategien des Delegierens zu vermitteln und mit ihm einzuüben. Zu meiner tiefenpsychologisch ausgerichteten Arbeitsweise gehört es, den Schlüssel zu anhaltend wirksamen Lösungen in der Bewusstwerdung von unbewussten Motiven eines problematischen Verhaltens zu sehen. Deshalb hake ich an dieser Stelle der Darstellung meines Gesprächspartners ein. Mich interessiert sein Bedürfnis zu helfen näher, und ich frage, wie es sich denn heute in seiner täglichen Arbeit zeige. „Das ist eine sehr gute Frage“, antwortet Herr L. nachdenklich „und wohl der Kern des Problems“. Auch heute helfe er gerne, wo er kann. Vor allem seinen ihm unterstehenden Mitarbeitern. Dabei wisse er immer genau, woran die gerade arbeiten und wo sie vielleicht Unterstützung haben wollen. Und dem Fluss seiner Erzählung weiter folgend, erfahre ich nun, inwiefern dieses Verhalten – gut gemeint und in der Vergangenheit oft gelobt – zu jenem Problem wurde, das in die Erschöpfung und Krankheit geführt hat: Weiterlesen